Johanna geht offline 

Welcome offline

Dieses Ding ist aus. Das andere auch

Töne, die ich organisierte und Namen zuordnete

Werde ich nicht vermissen

Ich bin abgeschaltet

Für eine Weile

Hier also ist Leben

Bin ich hier richtig?

Hab ich mich verlaufen?

Keine Ahnung

Ich bin nur die Unbekannte

Der Du so gerne auf Deinem langen Weg

Zu Dir selbst begegnet wärest

Du gabst mir einen Namen

Als Dank schreibe ich Dir Postkarten

Mit Bildern von mir

Meinen Gedanken

Ich muss hier raus

Ich werde nicht in einem Zimmer enden

In dem die Heizungsrohre husten

Eingekreist von Gestalten mit leeren Augen

Die alle Pläne zum Weitermachen verlegt haben

Und was ist mir Dir?

Sitzt Du immer noch dort?

Mit Deinen Juwelen und Ferngläsern im Kerzenschimmer?

Was in meinem Kopf geschieht

Lässt Dir die Welt hoffentlich nicht mehr so grausam erscheinen

Wie damals

45 Jahre ist eine Menge Zeit

Jedenfalls weit mehr als ich alt bin

Du hast mich erfunden

Ich habe Dich gefunden

Unser gemeinsamer Schöpfer wird heute für den Nobelpreis gehandelt

Die halbe Generation hinter meiner liegt ihm immer noch zu Füßen

Trotz aller Zumutungen

Oder gerade deswegen?

Ein Messias, der klingt wie ein kaputter Rasierapparat

Und Du bist unsterblich

Mitsamt Deinen Worten

Steht jedenfalls so im Rolling-Stone-Magazine

Heute noch

Gibt es genug von Deinesgleichen

Die nicht mehr weiter wissen

Aber immer einen Spruch auf Lager haben

Keine Ahnung von nix, aber die Welt verstehen und erklären

Du bist mir vielleicht ne schöne praktische Lebenshilfe

„In Museen die Unendlichkeit anklagen“

Ist vielleicht poetisch wertvoll, aber auf Dauer keine Lösung

Ich sehe das eher nüchtern, wie Tom Hanks

Der meinte kürzlich in einem Interview:

„Zynismus ist, wenn jemand sagt,

dass wir nichts ändern können;

wenn jemand in allen Lebenslagen behauptet,

dass andere für unsere Situation verantwortlich sind.“

Recht hat er.

Veränderung ist auch meine Lebenskonstante

Ich packe meine Sachen und mache mich auf den Weg

Stillstand ist der Tod

Alles basiert letzten Endes auf Bewegung

Ich habe gelernt zurückzulassen, was hinter mir liegt

Es nicht wie eine Last mitzuschleppen

Deswegen bin ich heute flinker, schneller, leichter

Ich werde nicht mehr sesshaft

Du kannst noch ein Stück des Weges mit mir gehen

Aber wenn Du mir in meine Träume folgen willst

Solltest Du nicht erschrecken vor dem, was Du dort siehst

Ich mag keine vom Sinn befreite Haarspalterei

Lieber einfache amerikanische Weisheiten

Eine davon lautet:

„Wenn Du und ich je einen Dollar tauschen,

hat jeder von uns einen Dollar;

tauschen wir aber eine Idee,

hat jeder von uns zwei davon.“

Ich wollte immer Ideen tauschen, nie Dollars

Erleben, spüren, erfahren, teilen

Viele Menschen, denen ich begegne

Spiegeln sich in Nasreddin Hoca

Der saß eines Tages am Flussufer

Jemand rief vom gegenüber liegenden Ufer:

„Hey, Sie da! Wie komme ich denn hier auf die andere Seite?“

Und Nasreddin sagte: „Du bist bereits auf der anderen Seite.“

Und warum habe ich so oft mit genau dieser Antwort gerechnet?

Auch von Dir, als ich Dich fragte, wie ich Dich erreiche

Ich bin jemand. Nicht niemand

Bevor ich in die Staaten reiste sagte ein Freund zu mir:

„Vergiss nicht zu trinken!“

Das ist wohl wichtig, besonders bei dieser Hitze

Was je meine Kehle hinab rann, hab ich häufiger geschluckt

Als getrunken und noch weniger geschmeckt.

Manches jedoch befeuchtete meine Seele

Alles wurde plötzlich so klar

Nichts trübte mehr den Blick nach vorn

Je mehr ich trank und je weniger ich schluckte

Umso klarer und durchsichtiger wurde mir alles

Und in meinem Kopf war nur noch Nebraska

Weite und Horizonte

Ich fuhr durch Tennessee

Sah die blonden Schönheiten mit ihren Ozeanaugen

Deren Herzen so warm sind wie der Asphalt am Abend

Dieses ständige Strahlen

Dieses ständige Wippen und Hüftkreisen

Geerdete Klänge

Irgendwann packt es jeden

Ich trank Haselnuss-Kaffee mit viel Milch

Und aß dünne Roastbeefscheiben auf überbackenen Bagels

So geht Leben

Später besuchte ich Schlösser in der Wallonie

Die Maas rieche ich immer noch

Den Dunst aus Ruß und Trapistenbier

Die grau-braunen Häuser mit Bewohnern

Die immer aussehen, als wären sie gerade aufgestanden

Liebenswert ist mir das alles

Ich dachte, aus den Trümmern meines Lebens

Ließe sich nicht einmal mehr ein Luftschloss bauen

Das war nur einer von vielen lähmenden Irrtümern

Wie Frühaufstehen und die Schönheit verachten, die eigene zumal

Solange man das als Lebenserfahrung verbucht, ist alles gut

Irrtum macht reich, ähnlich wie Fehler

Vorausgesetzt: man begeht jeden nur einmal

Jedes Denkmuster lässt sich feiner weben

Bis die Linien nicht mehr durchlässig sind

Irgendwann ist es fertig, aber nie ganz vollendet

Abgeschlossen ist dagegen fast alles in mir

Ich gewähre kaum noch Zugang

Hermetische kleine Welten

In jeder einzelnen davon lege ich mich in Fesseln

Um das Experiment der Befreiung zu wagen

Ich lache laut, wenn es gelingt

Aber es gelingt immer nur

Wenn man bis zum Schluss denkt

Auch die entlegenen Winkel erforscht

Ohne Angst etwas zu entdecken, was dort verstaubt

Verkümmert herumliegen könnte

Zu-Ende-Denken ist mühsame Arbeit im Steinbruch der Seele

Manchmal tut es immer noch weh

Sehen, was man nicht sehen will

Kaum etwas schmerzt so sehr

Wie das vernichtende Urteil eines Dummen

Kaum etwas hinterlässt mehr Narben als Gleichgültigkeit

Dieses Wegsehen

So oft stand ich vor einem

Von dem ich dachte, er müsse mich doch lieben

Der stumm blieb, während ich sprach

Und so oft meldete sich allenthalben jemand

Der etwas von mir wollte

Um gleich danach wieder zu verschwinden

Ich legte ein Netz um mein Herz

In dem sich alles verfing

Was irgendwie in Blutvergießen hätte enden können

Oder Gedankenlosigkeiten von Menschen

Deren Worte größer waren als ihre Taten

Trotz allem: Ich werde immer meine Hand reichen

Ich werde immer eine zweite Chance gewähren

Aber ich lasse mir von jedem nur ein einziges Mal wehtun

Erinnerst Du Dich an den Nachtwächter?

Der immer die Taschenlampe an- und ausknipst?

Und sich fragt:

Bin ich verrückt oder doch eher alle anderen?

So geht es mir manchmal auch

Du hast auch ihn erfunden, genau wie mich

Und Louise natürlich

In der Du Dich selbst wie in einem Spiegel sahst

Was mache ich nur mit all diesen Figuren?

Wohin mit diesen Wortfetzen und Gedankensplittern?

Was mach ich mit nur Dir?

Wohin mir Dir

Von dem ich nur eine vage Vorstellung habe

Nicht mal weiß, wie du ausgesehen hast

Damals, vor 45 Jahren

Als Du mich schon kanntest

Du sahst sicher cool aus

Mit weißen Schuhen und kariertem Sakko

So boheme und die Haare ungewaschen

Ich find das, ehrlich gesagt, Scheiße

Heute jedenfalls

Das ist so dröge wie SPD, so bemüht irgendwie

Oh Mann, ein einziger Flickenteppich

Diese ungeordneten Gedanken

Ich habe alle gesammelt

Schön bunt ist er geworden

Komisches Leben:

Man sagt, es ist nie zu spät

Zu spät wofür?

Manchmal erkennt man etwas so spät

Und Dinge geschehen mit derartiger Verzögerung

Dass sie im Rückblick eigentlich gar nicht mehr passiert sind

Paris im fahlen Herbst ist sehr schön

Eigentlich passt Sonne gar nicht in diese Stadt

Lebenslust spielt sich in Grauzonen ab

Ohne Idylle

Kein sprudelndes Bergbächlein

Sondern doch eher die Gosse

Oder so herzzereißend wie bei den Liebenden von Pont Neuf

Ich werde die Augen der Binoche nie vergessen

Bei ihr hat Melancholie etwas unsagbar Sinnliches

Wie Louise eine Hand voll Regen halten

Mal schauen, was man damit anstellen kann

Deine Stimme klang verdammt traurig bei diesem Satz

Sie leierte noch mehr als sonst

Warum wundert mich das eigentlich nicht?

Danach in der wabernden Masse Mensch verschwinden

Die Stadt von oben sehen

Jemanden treffen

Nicht allein sein

Und doch mit sich selbst bleiben

Das geht nirgendwo besser als in Paris

Auf der Rückfahrt die Sehnsucht

Das Räderwerk im Kopf möge stillstehen

Ein Zwischenstopp der nächtlichen Gefangenschaft meiner Gedanken

Für einen Moment kein Rattern, kein Drehen

Alle Lichter, die mir je aufgingen laufen auf Notstrom

Sonntag in der Denkfabrik

Aber es geht nicht

Denn was dann folgt, ist Angst

Angst, diese Bewegung, dieses Leben, könnte damit enden

Es ist von nun an eines dieser Leben

für das andere drei oder vier bräuchten

Da ist kein Maß mehr

Ich will es und es soll so weitergehen

Ein anderes hatte ich hin und wieder angedacht

Doch schließlich verworfen

In diesen Momenten

Wenn die Nacht beginnt, Streiche zu spielen

Taucht sie auf: Die Kardinalfrage des Lebens

Hätte ich alles noch einmal so gemacht?

Die Frage schnell zu beantworten, wird ihrer Bedeutung nicht gerecht

Ein Ja wäre vielleicht zu selbstgerecht

Wobei ich nie verstanden habe

Warum dieses Wort von den meisten Menschen

Stets negativ ausgelegt wird

Ist es denn so falsch, gerecht gegen sich selbst zu sein?

Wenn man doch gegenüber jedermann Gerechtigkeit üben soll

Warum nicht auch gegen sich selbst?

Seit Jesus in der Bergpredigt diesen ganzen Quark behauptete

Von wegen doof bleiben ist gar nicht so übel und solches Zeug

Hat dieser Begriff ein schlechtes Image

Ich halte nicht viel von den Theorien des Nazareners

Sie unterminieren den Verstand

Machen Menschen zu Schafen

Nehme ich mir meinen Anteil am Leben

Ohne anderen Schaden zuzufügen

Dann bin ich gerecht zu mir

So könnte ein Gebot unserer Zeit lauten

Das wäre wenigstens wahrhaftig

Warum soll ich mich immer an Werten orientieren?

Aber nie an meinen Wünschen?

Werte vermittelten mir nur Gewohnheiten

Scheinbare Sicherheiten

Bis schließlich alles vollends erstarrte

Als ich mich endlich befreit hatte

Lernte ich Reaktionen kennen

Die sich mir als unzertrennliches Paar vorstellten:

Neid und Feindseligkeit

Allerlei freundliche Ratschläge gibt es gratis dazu

Vielleicht hätte ich das ein oder andere

Besser nicht in den Saal posaunt

Es wird sofort als Arroganz ausgelegt

Es sei denn, man ist stets gefällig und demütig

Ich stehe nicht über den Dingen

Ich zehre nur von Erlebtem

Darf ich keine Ansprüche stellen?

Muss ich mich für jeden Mist interessieren?

Da sind mir Deine Worte dann doch lieber

Und ich lasse mein Handy noch eine Weile abgeschaltet

Bleibe unerreichbar, solange es geht

Schreibe Dir weiterhin Postkarten

Von Orten, an die es mich verschlägt

Lese Fahrpläne auf zugigen Bahnhöfen

Der Wind wird mich schon treiben

Stell mich bitte irgendwann den Damen vor

Die mit der Türkette Blindekuh spielen

Ich kann mir zwar kaum ausmalen, wie das gehen soll

Aber es sieht sicher lustig aus

Und bist Du immer noch verliebt in Louise?

Ist sie noch mit ihrem Lover zusammen?

Und leidest du noch deswegen?

Sag, was ist aus ihnen allen geworden?

Dem kleinen Jungen und dem Typ mit dem Schnäuzer

Der seine Knie nicht mehr fand und so flehend nach Jesus rief

Nur Mona Lisa ist die Einzige, die mir von Euch allen je begegnet ist

Hatte ich Dir nicht geschrieben, dass ich in Paris war?

Doch bestimmt…

Zwischen pentax-behangenen Japanern

Und italienischen Muttis auf Casadei-High-Heels traf ich sie:

Sie lächelt nicht, sie grinst

Sie passt zu Dir – viel besser als Louise finde ich

Als ich zurückkehrte, erzählte ich allen von Dir

Man sagte mir: „Du siehst krank aus. Und du bist krank!“

Ich…bin krank?

Seit wann?

Das war der Punkt, an dem ich mich

Endgültig wieder gefunden hatte

Ich drehte mich um

Zuckte die Achseln und ging meiner Wege

Einmal mehr zurücklassen

Verluste müssen durchgeschmerzt werden

Der Kopf braucht ebenso wie das Herz frisches Blut

Diese Welt ist so kompliziert

Wie Deine verschrobenen Metaphern

Aber das Leben ist wie Dein Lied

Drei Akkorde in G-Dur

So einfach ist das.