„Was ist das.“

 

Dieser erste Satz eines Romans, von dem William Faulkner einst sagte: Schreiben Sie ihn so, dass der Leser den zweiten lesen will, danach den dritten und so weiter und so weiter. Es war keine Frage. Nur ein Satz: „Was ist das.“

 

Thomas Mann beginnt seinen bekanntesten Roman mit dieser…Feststellung? Sicher, es mochte Zufall sein - aber diese drei Worte bezeichnen den Anfang jener Nacht, von der hier die Rede ist.

 

Alle Geschichten, die je erzählt wurden, haben eines gemeinsam:  Ihr Ursprung liegt weit vor dem Moment, an dem das Erzählte vermeintlich seinen Lauf nimmt. Durch Rückblenden erschließt sich, was vor dem Anfang war, wobei auch jede Rückschau an einem bestimmten Punkt beginnt, der wiederum eine eigene Vorgeschichte hat. Und so weiter und so weiter…

 

Die folgende Nacht begann also an einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vorher, als es bereits (oder immer noch?) hell war. Im Morgengrauen schrieb sie eine Nachricht: „Ich fickte mich allein durch die Nacht und führte weiter, was ich zuvor am Tag erlebt hatte. Ohne dich? Da irrte ich gewaltig. Deine Blicke lagen überall auf den Wänden. Sahen zu, wie ich an meinen Traumbildern arbeitete.“

 

Nach dem Zähneputzen traf sie ihr Anblick unvorbereitet. Zwei neue Gewänder. Überhaupt war es nicht ungewöhnlich für sie, ein Leben im Spiegel zu führen, sich quasi voneinander getrennt zu empfinden. Mal als Betrachterin, mal als Subjekt. Die Wahrnehmung von Ansichten als Einsichten befeuerte ihren Drang. Eine sich stetig steigernde Stimmung bei voller Konzentration hatte schon tags zuvor zu wachsamer Unruhe geführt.

 

Heftige Gemütsbewegungen, Wellenbewegungen mit kleinen Spitzen.

 

Sie erinnerte sich an die Teambesprechung im Büro. Eine Männerstimme beschallte den Raum im sonoren Bassbereich bei etwa 120 Hertz mit ruhig fließender Melodie, als hätte Dvorak sie komponiert. Trockene Worte mit saftigem Klang. Die Moldau, deren Bedeutung jetzt egal war. Gelegentlich setzte die Stimme aber zu einem Fortissimo an. Feine Strenge!

 

Und nun dieser verchromte Ring an einem Lederhalsband. „Was ist das.“

 

Ein Kompass vielleicht?  Erfunden für eine Irrfahrt von Insel zu Insel?

 

Technik, die begeistert. Slogans. Ach ja, und es ging von einer Begegnung zur nächsten. In einem Meer Namenloser. Beiwerk der Regie. Austauschbar. Ohne Hafen.  Alles Statisten einer improvisierten Choreographie.

 

„-Was- ist das…“ Nebensatz oder Hauptsatz? Keine Frage jedenfalls. Harte Schnitte. Fließende Übergänge. Auch keine Taktfolge. Stampfender Rhythmus. Lärm. Ruderschläge auf Kommando. Beats. Drei Worte. Aufmerksamkeit - und es sprudelte allen entgegen, die von diesem süßen Gemisch aus Zügel- und Maßlosigkeit kosteten. Bühne frei! Und immer wieder Zuschauer, die vereinzelt Teil der sorglosen Handlung werden. Beim Wort „Übermut“ überkam sie ein leiser Schauer. Und wie wohl sich doch die Hand auf ihrer Wange fühlte, während sich der feste Blick in sie hineinwühlte und überall wurden Löcher gebohrt, aus denen es in Strömen floss.

 

Anderntags lagen die Bilder im Zimmer herum, die fein säuberlich, ordentlich sortiert werden wollten, um danach als aufgeklebte Zeit in einem versiegelten Album zu überdauern.